Alessandra Giuliani – Her-Story statt His-Story

Alessandra Giuliani – Her-Story statt His-Story

5. Juli 2022

Frauen hatten in der offiziellen Heilkunst Europas über Jahrhunderte wenig Chancen. Im frühen 14. Jh. ist nichts desto trotz eine Anatomin mit Namen Alessandra Giuliani überliefert, die der Legende nach sogar die Plastinierung von Leichen beherrscht haben soll.

Kurzes Leben im Dienst der Wissenschaft

Alessandra Giuliani, im Jahr 1307 in der italienischen Provinz Emilia-Romagna geboren, war definitiv eine spannende Frau der TEM. Ihre biographischen Daten sind ein wenig verwickelt, aber es liegt auf der Hand, dass sie ein gewisses Talent in Sachen Anatomie und Pathologie hatte. Texte berichten, sie sei chirurgische Assistentin von Mondino dei Luzzi, dem weltbekannten Anatom der Medizinschule der Universität von Bologna, gewesen und habe als Prosektorin (Seziererin) brilliante Arbeit geleistet. Alessandra soll (nach einem legendarisch gefärbten Text) auch eine Methode entwickelt haben, um das Blut aus dem Körper zu entfernen und es durch eine aushärtende Flüssigkeit zu ersetzen, was an Techniken erinnert, die für die Ausstellung „Körperwelten“ angewandt wurden, um plastinierte Körper herzustellen. Eine lange Karriere war Alessandra Giuliani allerdings nicht beschieden; sie starb sehr jung, vermutlich an einer septischen Wunde.

Unsichtbare Frauen der TEM

Die legendarisch überfärbte Lebensgeschichte der Alessandra mit nur wenig aussagekräftigen Daten zeigt, dass Frauen in der offiziellen Medizin bis ins 19. Jahrhundert hinein systematisch „unsichtbar“ gemacht wurden. Sie wurden kurzerhand einem prominenten Mann beigesellt und ihm „untergeordnet“, ohne dass man ihre innovative Leistung gewürdigt hätte: im 14. Jh. Alessandra als kaum fassbare Assistentin von Mondino; im 12. Jh. Trota von Salerno als rätselhafte Gestalt gegenüber den besser bezeugten männlichen Medizinern. Im 19. Jahrhundert wird die Datenlage besser, aber Frauen hatten im offiziellen Medizinbetrieb nach wie vor wenig Chancen und wurden mit ihrem therapeutischen Talent in die Rolle der „heilenden Hausmutter“ abgedrängt. Zur Forschung von InstiTEM gehört die Wiedersichtbarmachung weiblicher Heilkunst – ein Feld, auf dem es noch viel zu erkunden gibt.

InstiTEM-Buch-Tipp:

Wichtige Frauen in der Naturheilkunde, Ihr Leben – Ihr Werk – Ihre Schriften von Annette Kerckhoff